Der Chinesische Garten symbolisiert die Synthese dessen, was die Beziehung des Menschen zur Natur ausmacht. Die Gärten sind ein Kulturdokument, das viel über die chinesische Beziehung zur Welt und zum Leben aussagt . Die chinesischen Gärten entwickelten sich ab der Song-Dynastie (960 – 1229) im engen Einklang mit der Landschaftsmalerei.
Das Hinzielen zur Harmonie ist die Basis der Chinesischen Philosophie und Lebenskonzeption und bildet gleichermaßen die Grundlage für die chinesische Gartenkunst. Sie gewährt dem Menschen das, was er am meisten sucht – das Gleichgewicht des Geistes.
Chinesische Gärten sind eine Kleindarstellung des Universums. Allerdings ist das Gestaltungsziel hierbei nicht die Nachahmung der Natur, sondern es geht vielmehr um das Erfassen ihrer Vorgänge, die Verformung des Gesehenen durch subjektive Eindrücke und Gefühle. Deshalb wurde in China die Kreation der Gärten auf das gleiche Niveau wie Malkunst und Poesie gestellt. Chinesische Gärten erfassen das Unendliche mit weltlichen Mitteln, verbinden die Realität mit der Geistlichkeit.
Der Garten als Zufluchtsort der Stille
Jeder der bis heute erhalten gebliebenen Gärten verkörpert die Verwirklichung der Sehnsucht nach einer Zuflucht, um sich an der Natur in ihrer vollen Größe zu erfreuen, ohne „die Schwelle des Hauses überschreiten zu müssen“.
Die Größe des Gartens war dabei zunächst ohne Bedeutung. Je geringer der zur Verfügung stehende Raum war, desto ausgeprägter musste allerdings die Kunst der Andeutung sein. Das Element Wasser konnte daher ebenso mit einem See wie auch mit einem dünnen fließenden Bändchen ausgedrückt werden. Ein hoher, in Wolken gehüllter Berg ließ sich mit einem Stein verkörpern. Eine einzige alte Kiefer ruft die Atmosphäre abgeschiedenen Daseins hervor.
Fülle in der Ruhe
Im Mittelpunkt chinesischer Ästhetik stand jahrhundertelang die Konzeption des Raumes. Sie spielte sowohl in der Malerei als auch in der Gartenkunst eine große Rolle. Die Schlüsselfrage war hierbei, mit welchen Mitteln sich auf der begrenzten Fläche des Gartens die Illusion des unendlichen Raumes und der weitgehenden Leere gestalten lässt. So ist nach der chinesischen Auffassung die Natur ohne Grenzen.
Die Aufteilung des Raumes im chinesischen Garten entspricht grundsätzlich den gleichen Prinzipien wie in einer horizontalen Bilderrolle, die abgewickelt wird und die Grenze der Zeit und des Ortes überwindet. Im „Bild“ kann man stehen bleiben, schauen, wandern oder auch verweilen.
Für große und kleine Gärten gilt der Grundsatz der harmonischen Beziehung zwischen dem Haupt- und dem Nebensächlichen. Die Gartenszenerie war die Hauptsache. Erst dann folgte die Architektur. Der Garten soll Tiefe haben, überall soll eine Überraschung lauern. In gewissen Abschnitten soll der Garten ein Spannungsgefühl wecken, sogar das Gefühl von Gefahr („wei“).
Eine große Bedeutung hatte auch die Kreation der Szenerien in Schalen – „shangshui penjing“ – für Menschen, die keinen Garten besaßen.
Ebenso wichtig wie Pavillons, Lustschlösschen, Studierräume und andere Bauten sind Elemente, die die Gärten verbinden, vor allem Korridore, Pfade und Brücken. Diese versteht man in der Gartenkomposition als Linien („Xian“), während Gebäude Punkte sind („Dian“).
Den Gartenraum teilen zudem Gartenmauern, in denen es verschieden geformte Durchgänge gibt (z.B. Mondsichel, Flasche). Auch die Fenster in den Mauern sind abwechslungsreich geformt.
Brücken übers Wasser haben eine verbindende Rolle. Niemals gibt es in einem Garten zwei gleiche Brücken. Die Brücken sind für die Chinesen ein Garant dafür, dass das lebensspendende Fluidum – „Qi“ – gleichmäßig den ganzen Gartenraum durchdringt.
Chinesische Gärten in Europa
Garten der Freundschaft im Hortus Haren/Groningen (NL)
Ein überzeugendes Beispiel chinesischer Gartenkunst in Europa findet sich in den Niederlanden im Hortus Haren/Groningen. Der auf 6.000 qm von Shanghais Landschaftsgartenarchitekten, Meister Le Wei Zon, nach den Vorbildern der Jahrhunderte alten Ming-Gärten entworfen. Die Bauzeit betrug sieben Monaten. Dutzende chinesische Arbeiter verarbeiteten die hierfür eigens von der Stadt Shanghai zur Verfügung gestellten Baumaterialien einschließlich der dreidimensionalen Keramikkacheln für den eindrucksvollen Drachenvries an der Mauer über dem Wasserbecken vor dem Teehaus. Der „Garten der Freundschaft“ wurde am 12.4.1995 von S.M. Königin Beatrix eröffnet.
Die Säulen des Eingangsportals tragen chinesische Inschriften mit den Bezeichnungen Chinas und den Niederlanden, das Schild über dem Portal das Wort „Freundschaften“.
„Mondtor“ im Eingangshof.
Drachenvries im Hof vor dem Teehaus des stöhnenden Drachens.
Säulengang
See des roten Karpfens.
Blick auf den Aussichtspavillon.
Eingangshof
Säulengang mit Blick auf Pavillon. Detail Drachenvries.
Mondtor